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Monatsspruch

 

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.

1 Korinther 6, 12

Um Missverständnisse zu vermeiden, muss man den Text von seiner Quelle her bedenken. Dabei fällt auf, dass in jedem Satz ein Widerspruch liegt; was erlaubt ist, wird im zweiten Teil in Frage gestellt. So schrieb es der Apostel Paulus der jungen Christengemeinde in Korinth. Es ist nicht ein Wort an die verwirrende, heidnische Welt seiner Zeit allgemein, sondern an Christen, die sich mit den Geboten Gottes in ihrer Umwelt schwer tun, Gesetze, denen Jesus bereits in der Gesinnung Gültigkeit gibt: "Ihr habt gehört ...ich aber sage euch ..." (Mat 5). Das Gesetz zeigt einen Weg, auf dem menschliches Zusammenleben gelingen kann. Es ist in diesem Sinne Ausdruck der Gottesliebe. Da soll ein Christ tun, was er als von Gott geliebter tun darf, zu tun in Liebe die Freiheit hat. Paulus, dieser Wegbereiter der christlichen Lehre, hat die Widersprüchlichkeit im Monatsspruch, mehrfach und noch kritischer ganz auf sich selbst bezogen. Das klingt mit, wenn der Theologe Karl Barth im Vorwort zur Römerbrief Auslegung schreibt: "Es ist eine versuchte Auseinandersetzung mit diesem überaus merkwürdigen und selten frommen Mann".

Ich gebe nun zu den Begriffen 'Erlaubt, Gut, Macht' im Text ein paar autobiografische Beispiele, die das alltägliche Mit- und Gegeneinander aufzeigen:

Brot für die Welt: In der Ausbildungszeit zum Diakon bekam ich vom Brüderältesten den Auftrag, mit einer Liste Spendenversprechen von den Angestellten im Diakoniezentrum Hephata zu sammeln. Er gab mir dazu den Hinweis: "Gehen sie zuerst zum Anstaltsleiter". Als ich diesem an seiner Haustür mein Anliegen vortrug, antwortete er mit aller Schärfe: "Soll ich Ihnen die Liste versauen?; kommen Sie wieder, wenn die Liste abgeschlossen ist!" Ich hatte verstanden. Er hatte den mir gegebenen 'guten Rat' durchschaut und ließ sich nicht zum Vorbild zwingen, was Andere dann unter moralischen Druck bringen könnte. So wurde mir ein guter Wille zur Beschämung. Bei aller Nächstenliebe gibt es also durchaus auch ein begründetes 'Nein'.

Religionsunterricht: Zum Studium in der Diakonie gehörte auch die Befähigung zum Unterrichten. Wir waren 21 Brüder und hospitierten in einer Schule. Ein angesehener Lehrer sollte uns eine 'Masterclass' geben. Luthers berühmte Schrift 'Von der Freiheit eines Christenmenschen' stand auf dem Lehrplan. Der Lehrer war mit seiner Klasse gerade bei dem Satz angekommen: 'Es hilft der Seele nicht ob der Leib heilige Kleider anlegt, wie es die Priester und Geistlichen tun'. Da fragte ein Junge: "Warum tragen die Pfarrer dann Talare?" Der Lehrer: "Setz dich, die Frage gehört hier nicht hin". Da ich nun den Jungen beobachtete, habe ich den Verlauf des Unterrichtes gar nicht weiter registriert. In der Nachbesprechung fragte ich den Lehrer: "Warum haben sie dem Jungen die Frage nicht beantwortet, er hat doch offensichtlich abgeschaltet". Der Lehrer: "Ich kenne ihn, der will nur den Unterricht stören". Da habe auch ich abgeschaltet. Was war passiert? Der Junge war in die Schublade der Lieblosigkeit abgeschoben. Der Lehrer wollte bei uns einen guten Eindruck machen und nicht zugeben, dass er auf die unerwartete Frage keine Antwort hatte. Über seinem Stolz hatte die Nächstenliebe die Flucht ergriffen. Und so etwas, mit allen Folgen passiert wohl hier und da täglich.

Jumble Sale: In der Nachbarschaft von Craven Terrace wohnte ein älterer Gentleman. Er kam zum Deutschunterricht in unser Haus, dann auch zu anderen Veranstaltungen. Auf Jumble Sales war er immer da und hatte besonders am Büchertisch Interesse.

Als meine Frau sah, dass er stets einen ausgefransten, hier und da durchgescheuerten Pullover anhatte, sagte sie eines Tages zu ihm: "Mr. P., I found a nice jumper for you". Seine Antwort: "Oh, Mrs.H., please do not think that I have no better ones at home. This just happens to be my weekend favourite". Sie verstanden sich und lachten miteinander. Aber selbst Freundschaften können zerbrechen, wenn ein gut gemeintes Hilfe Angebot als Einmischung in die Privatsphäre entrüstet abgelehnt wird.

 

Vielzählig sind da die Beispiele von Mensch zu Mensch. Ich fasse sie in einem Vers aus dem Lied von Johann Heermann (EG 495) zusammen: Gib, dass ich tu mit Fleiß, was mir zu tun gebühret, wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet. Gib, dass ich's tue bald, zu der Zeit, da ich soll, und wenn ich's tu, so gib, dass es gerate wohl.

Es gibt zahlreiche, dramatische Bilder, in denen Moses die Zehn Gebote empfängt. Aber, vor nun 30 Jahren, sah ich die vielleicht einzige Darstellung, in der klar erkennbar ist, dass Christus an Moses die Tafeln der Gebote übergibt. Es ist eine Glasmalerei aus dem 13. Jahrhundert, jetzt im Kölner Dom. Die Aussage des Fensters ist so, wie Paulus im Kolosserbrief schreibt, dass Jesus ein Ebenbild des unsichtbaren Gottes ist (Kol 1,15). Ich gebe diese seltene Darstellung hier in meiner schwarz-weiß Nachzeichnung weiter.

 

Bernd Hildebrandt

Monatsspruch Mai 24-zehn-gebote (1).jpg
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